Damals, 1888...

Die Trams wurden noch von Pferden gezogen, elektrisches Licht in den Häusern war selten. Als Beyer IWC ins Sortiment aufnahm, gingen für beide Firmen düstere Zeiten zu Ende.

Florentine Ariosto Jones, ein amerikanischer Ingenieur, hatte IWC zwanzig Jahre zuvor für den US-Markt gegründet und die Marke vor allem deshalb in Schaffhausen angesiedelt, weil es da gerade genügend kompetente Uhrmacher gab. Man erwischte einen denkbar schwierigen Start, daran änderten auch neue Besitzer und Direktoren nichts. Erst als der Schaffhauser Industrielle Johannes Rauschenbach-Vogel 1879 das Unternehmen kaufte, fand die Manufaktur in ruhigere Gewässer. Auch Beyer hatte mühselige Jahre hinter sich. Das lag nicht nur an der Grossen Depression, die insbesondere Österreich-Ungarn und dem Deutschen Kaiserreich zusetzte und auch in die Schweiz ausstrahlte. Bei Beyer hatte man auch Bedenken, sich mit den teuren Räumlichkeiten im prächtigen neuen «Palais de Crédit Suisse» am Paradeplatz übernommen zu haben. Und noch etwas belastete die Familie: Während seines Volontariats bei Patek Philippe hatte sich der junge Adelrich Beyer in die Berufskollegin Marie Valentine Meylan verliebt. Er war katholisch, sie reformiert. Die katholische Kirche verbot das Bündnis. Worauf ihr die ganze Familie den Rücken kehrte und zum reformierten Glauben übertrat. Dass dies nicht ohne gesellschaftliche Misstöne ablief, liegt auf der Hand.

IWC-Stammbuchauszug von 1888 (unten):
807 Franken im ersten Jahr – ein stolzer Betrag.

DIE GROSSE ELEKTRIFIZIERUNG
Trotzdem: Geschäftlich profitierte man davon, dass Zürich in den letzten Jahren Basel den Rang des grössten Schweizer Finanzplatzes abgelaufen hatte. Und dass diesbezüglich das Epizentrum direkt vor der Ladentür lag – am Paradeplatz, über
den seit wenigen Jahren drei Linien des Rösslitrams führten. Es hiess, dass diese Strassenbahn schon bald mit Strom betrieben würde. Zuerst aber waren die Strassenlaternen an der Reihe, dann die Haushalte: 1888 fiel in Zürich der Startschuss zur grossen Elektrifizierung, die 1892 nicht nur zur Gründung des EWZ führte, sondern auch die Eingemeindung der autonomen Dörfer Riesbach, Fluntern, Hottingen und Hirslanden vorantrieb, die 1893 Tatsache wurde.

Wie genau IWC und Beyer zusammenkamen, ist nicht überliefert. Wir stellen uns gern vor, dass Johannes Rauschenbach-Vogel mit dem Rösslitram die Bahnhofstrasse entlangfuhr und Adelrich Beyer einen Besuch abstattete. Respektive dessen Mutter Emily Beyer, die nach dem frühen Tod ihres Mannes noch die Geschäfte führte. Und dass Rauschenbach-Vogel nicht lange um die Aufnahme ins Sortiment bitten musste:
Die Familie Beyer stammt ursprünglich aus Feuerthalen, einem Nachbardorf von Schaffhausen. Die Partnerschaft war wohl Ehrensache. Zumal die Uhren damals schon von guter Qualität waren.

GEGENSEITIGE INSPIRATION
Und es zeigte sich, dass man es sehr gut konnte miteinander. Schon früh in dieser Partnerschaft ging man stark auf die gegenseitigen Bedürfnisse ein. Das zahlte sich nicht nur in erfreulichen Absätzen aus, sondern auch in spannenden Spezialanfertigungen, die Sammlerherzen höherschlagen lassen. Die freundschaftliche Verbundenheit und die gegenseitige Inspiration dauern an: Als es 2020 um den Umbau des Beyer-Ladenlokals ging, kam IWC proaktiv mit Ideen für eine Lounge auf die Chronometrie zu. Gemeinsam wurde eine elegante Sitzecke samt Cheminée entwickelt, wo heute eine aussergewöhnliche Auswahl von Modellen aus Schaffhausen präsentiert werdem dürfen.


1888: WAS SONST NOCH GESCHAH
In Paris wird der Eiffelturm gebaut, in Amerika die Rechenmaschine und die Drehtür erfunden und in Schottland der luftgefüllte Velopneu. Carl Benz erhält für seine Motorwagen die erste Fahrerlaubnis der Welt. Wilhelm II. wird letzter Kaiser Deutschlands. Vincent van Gogh malt verschiedene Versionen seiner «Sonnenblumen». Im Londoner Stadtteil Whitechapel treibt Jack the Ripper sein Unwesen. In der Schweiz wird die Brünigbahn eingeweiht, und Gottlieb Duttweiler erblickt das Licht der Welt.

Beyer Chronometrie