Auf den ersten Blick würde man sagen: Das ist eine einfache, ja fast schon bescheidene «Day-Date» in Gelbgold, die da im Uhrenmuseum Beyer in einer Vitrine liegt, umgeben von einem Reigen glamouröser Kolleginnen aus den 1950er-Jahren. Doch hat sie sich ihren Ehrenplatz redlich verdient, wie ein Blick auf den Gehäuseboden verrät. Dort steht eingraviert: «Dem lieben Herrn Th. Beyer zur Erinnerung unserer angenehmen Verbindung seit 1932, Hans Wilsdorf.» Um 1956 musste es gewesen sein, als sich der Rolex-Gründer (1881–1960) mit seinem Geschenk gleich bei zwei Th. Beyer bedankte: dem amtierenden Patron Theodor René Beyer (1926–2002), der bereits in jungen Jahren den Ruf eines versierten Uhrenkenners erworben hatte und zur Beurteilung wertvoller Sammlungen in die halbe Welt gerufen wurde. Und in mindestens ebensolchem Masse bei dessen verstorbenem Vater Theodor Julius Beyer (1887–1952), einem kritischen Geist mit einem Faible für mechanische Erfindungen.
BEYER MACHT DEN TEST
Letzterer war es, der 1932 die damals noch wenig bekannte Marke Rolex ins Beyer-Sortiment aufgenommen hatte und sie in Zürich lange Zeit als einziger anbot. Nach britischem Vorbild stellte er einen riesigen Pokal ins Schaufenster, in dem exotische Fische um die «Oyster» schwammen, die erste wasserdichte Armbanduhr der Welt. Das Publikumsinteresse war so gross, dass die Polizei kommen musste. Und: Theodor Julius Beyer war es, der es ganz genau wissen wollte. 1933 entwickelte er einen Vakuumapparat, der es erlaubte, die «Oyster» in höheren Druckverhältnissen zu prüfen, so wie sie etwa in einigen Metern Meerestiefe oder in mehreren Tausend Meter Höhe herrschen. Theodor Julius Beyer überreichte Hans Wilsdorf mit dem Resultat auch gleich den Vakuumapparat, auf dass der Rolex-Chef die Experimente nachprüfen konnte. In einem Brief vom 25. August 1933 schrieb Wilsdorf: «Ich bin sehr froh, Ihnen mitteilen zu können, dass der Vacuum Apparat, welchen Sie mit soviel Wissen und Können konstruiert haben, 100 %, ja wirklich fabelhaft gut arbeitet. Der Nachteil an dieser Erfindung ist, dass wir eben jetzt herausfinden, wie unvollkommen unsere Oyster Uhren bisher waren. Wir müssen alles von A bis Z verbessern, alles muss viel viel genauer gearbeitet werden. Wir sind sicher, ein 100 % zufriedengebendes Resultat zu erreichen, aber es bedarf wirklich grosser Anstrengung.»
1934 meldete Hans Wilsdorf dann sein eigenes Patent für einen solchen Apparat an.
Wie wir wissen, hat sich die Anstrengung gelohnt: Die «Oyster Perpetual» gilt heute als Synonym für unerschütterliche Robustheit und Genauigkeit. Wilsdorfs Vision ist aufgegangen, auch weil der charismatische Vordenker zeitlebens nie aufgab und immer eine noch höhere Qualitätsstufe erklomm. Dabei durfte er in über einem Vierteljahrhundert auch auf die Einschätzung der Familie Beyer zählen. Die tiefe persönliche Verbundenheit kommt in mehr als einem Schreiben zum Ausdruck. Am ausführlichsten in jenem Brief von 1956 an Theodor R. Beyer, in dem Hans Wilsdorf die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Beyer Chronometrie pries und deren positive Entwicklung nach doch eher stürmischen Zeiten herausstrich: «Sie haben die interessante Aufgabe, die Fackel nun gut brennend weiter zu tragen. Dass Sie siegend ans Ziel kommen, ist mir sicher. Und heute gebe ich Ihnen die Versicherung, dass wir unser Scherflein dazu beitragen werden.» Leider lässt sich trotz unseres aufwendig aufdatierten Archivs nicht nachvollziehen, ob Hans Wilsdorf diesen Worten mit der eingangs erwähnten Uhr Taten folgen liess (oder ob die Uhr vor dem Brief zu Beyer fand). Jedenfalls enden die drei handgeschriebenen Seiten mit einer herzlichen Einladung, auf die man bei Beyer noch heute mit ein bisschen Stolz schaut: «Wann kommen Sie nach Genf? Ich würde mich freuen, Sie bei uns zu Hause zu empfangen. Old friendship never dies.»