Synonym für Frieden

Die Edo-Zeit prägte Japan nachhaltig: Die ungewöhnliche Zeiteinteilung dieser Periode verlangte spezielle Uhren.

«DAS RÜCKWÄRTSZÄHLEN FINDET SEINEN
URSPRUNG IN DEN ALTEN KERZENUHREN.»

 

Die Edo-Zeit folgte auf mehrere Hundert Jahre Bürgerkrieg und bezeichnet die prägendste Epoche in der Geschichte Japans. Sie dauerte von 1603 bis 1868 und gilt als eine Ära des Friedens, in der sich Kunst, Kultur und Wirtschaft entwickeln konnten. Dies vor allem auch dank der als Sakoku bezeichneten Abschottung Japans gegenüber dem Ausland mit dem Ziel, fremden Einfluss zu minimieren und die Stabilität im Land zu bewahren.

Edo, das heutige Tokio, war ein unbedeutendes, aber zauberhaftes Fischerdorf mit schmalen Strassen, die auf beiden Seiten gesäumt waren von dicht aneinandergereihten Holzhäusern. Durch Schiebetüren aus Papier fiel schwaches Licht auf die Strassen, Menschen bewegten sich zu Fuss, in Rikschas und auf Pferdekarren. Die Atmosphäre war geschäftig, aber geordnet. Der Duft von frischem Fisch, Reis und grünem Tee vermischte sich mit dem der Räucherstäbchen aus den Tempeln. Besonders in den Städten blühte das kulturelle Leben. Kabuki- Theater, Holzschnittdrucke und Haiku-Dichtungen erreichten neue Höhen. Die Gesellschaft war streng hierarchisch organisiert. Der Samurai stand an der Spitze, ihm folgten Bauern, Handwerker und Kaufleute. Neben diesen vier stolzen Klassen gab es die niedrigsten Gruppen, sie galten als unberührbar. Zu ihnen gehörten Ledergerber, Bestatter und Randständige wie Bettler und Schauspieler.

Die Edo-Zeit (1603–1868) ist benannt nach der Stadt Edo, dem heutigen Tokio.

DIE SONNE ALS TAKTGEBERIN

In dieser Zeit der Ordnung und Disziplin spielten Uhren eine wichtige Rolle. Anders als unsere westlichen Zeitmesser, die den Tag in 24 gleiche Stunden unterteilen («festes Stundensystem»), waren im japanischen Zeitsystem die Stunden je nach Jahreszeit unterschiedlich lang («zeitliches Stundensystem»). Ein Tag wurde in sechs Toki (Perioden) zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang unterteilt und in weitere sechs zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang. Da die Länge der Tage und Nächte variierte, änderte sich auch die Länge der Zeiteinheiten. Im Sommer waren die Toki tagsüber länger und nachts kürzer, im Winter verhielt es sich umgekehrt. Nur während der Tagund- Nacht-Gleiche gab es keine Unterschiede. Der Einfachheit halber waren die Toki nach chinesischen Tierkreiszeichen benannt.

Für uns im Westen etwas gewöhnungsbedürftig: Die japanischen Stunden wurden ab Mittag respektive ab Mitternacht von 9 an rückwärts gezählt bis 4. Das Rückwärtszählen findet seinen Ursprung in den alten Kerzenuhren, die langsam die Zeit verbrannten. Und dass nur bis 4 gezählt wurde und nicht bis 1, liegt daran, dass die Glockenschläge für 3, 2 und 1 im Buddhismus für Gebetsaufrufe genutzt wurden. Deshalb begann das Zählen bei 9 und nicht bei 6.

Die Ziffern auf der Swetman-Taschenuhr im Uhrenmuseum Beyer stehen demnach nicht für 1 bis 12, wie wir es spontan vermuten würden, sondern für Mitternacht, 8, 7, 6, 5, 4, respektive für Mittag, 8, 7, 6, 5, 4.

GEHEIMNISVOLLE HERKUNFT

Aufgrund ihrer Form und Dicke wird die Art dieser Taschenuhr im Umgangsjargon auch Zwiebeluhr genannt. Sie wurde um 1750 offensichtlich für den japanischen Markt hergestellt, doch ist bis heute nicht klar, ob die Uhr tatsächlich ihren Weg nach Japan gefunden oder ob sie Europa nie verlassen hatte. Über den Londoner Uhrmacher Thomas Swetman und allfällige Beziehungen nach Japan ist ebenfalls nichts Nennenswertes bekannt. Gesichert hingegen ist, dass René Beyer die Edo-Uhr 2023 bei Sotheby’s für unser Uhrenmuseum ersteigern konnte. In wessen Besitz sie vorher war, lässt sich nicht eruieren. Das Uhrenmuseum Beyer beherbergt weitere japanische Uhren, die auf Anfrage gern besichtigt werden können.

WELTBERÜHMTE SAMMLUNG
Das Uhrenmuseum Beyer birgt eine der bedeutendsten Sammlungen der Welt. Es ist Montag bis Freitag von 14 bis 18 Uhr geöffnet.

Uhrenmuseum