Als der Lastwagen mit der Stahlstruktur für die neue Treppe vorfuhr und ein Kran sie durch den Baustellenschlund ins Ladeninnere hievte, war Stefan Rohrer trotz allem ein wenig gespannt. Der Projektchef der Obrist interior AG leitet unzählige Prestige-Umbauten auf der ganzen
Welt, auch für Rolex. Doch die Konstruktion dieser Treppe ins neue Rolex-Reich bei Beyer sei schon ziemlich aussergewöhnlich gewesen, sagt er.
«Massgenommen haben wir noch im alten, laufenden Geschäft – nach Ladenschluss, zwischen sieben und drei Uhr morgens», erklärt Rohrer. Dann
wurden am Computer Achsen verlegt, Anstösse geplant und aufgrund von Sondierungen in der alten Bausubstanz die Aufhängung der Treppe
berechnet respektive die Elemente für die Rohkonstruktion. Bei aller Genauigkeit und allem Vertrauen in die komplexen Computerprogramme: Dass die Treppe schliesslich millimetergenau passte, war auch für Rohrer eine Erleichterung.
Drei weitere Firmen gingen ans Werk: der Metallbauer, der Formholzbauer und der Spezialist für Oberflächen. Wie ein Sandwich wurden die Stahlträger mit Holz gefüllt und umhüllt. Bis hin zu den Schwellen verwandelte sich jedes Detail in die von Rolex vorgegebenen Formen und Farben. Am Schluss kam der Handlauf aus Holz hinzu. «Auch wenn man es als Laie nicht sieht: Diese Treppe ist ein handwerkliches Meisterwerk», freut sich Rohrer. «Ohne das absolute Vertrauen in unsere Partner wäre so etwas nicht möglich gewesen.»
Ein Motor für das Schaufenster
Denn der Umbau fiel mitten in die Corona-Krise. Meetings waren kaum möglich, die Prozesse führten erst über komplizierte Umwege ans Ziel. Zum
Teil versiegte der Kontakt zu Lieferanten im Ausland, Produktionen wurden wegen Corona vorübergehend eingestellt. So musste Stefan Rohrer mit seinen Leuten den Travertino-Stein für die Wandverkleidung in der Schweiz neu entwickeln lassen – in exakt dem richtigen Farbton. Und die Online-Firma, bei der man für die Tom-Dixon-Vasen eine Anzahlung geleistet hatte, schien sich plötzlich in Luft aufgelöst zu haben (im September wurden die Vasen dann doch noch geliefert). «Die grösste Herausforderung», sagt Stefan Rohrer, «war, die verschiedenen Bedürfnisse zusammenzubringen: die Designanforderungen von Rolex, die Vorstellungen von Beyer, die Sicherheitsmassnahmen – und das alles in einem alten Gebäude, das uns manchmal unerwartete Grenzen setzte.»
Die Bodenlast etwa erwies sich zu schwach für das 1,3 Tonnen schwere Rolex-Schaufenstermöbel. Innert zweier Tage musste eine neue Bodenstruktur gebaut werden. Für das Schaufenstermöbel liess Rohrer von einem Maschinenbauer eine Vorrichtung mit Motor entwickeln: Per Knopfdruck lässt sich das Möbel nun elegant verschieben und verschafft dem Personal so Zugang zu den Uhren. Lichtsensoren verhindern, dass sich jemand einen Finger einklemmt oder gar erdrückt wird.
Handy-Ladestationen im Sofa
Auch in der Galerie, unserem neuen Rolex Corner, versteckt sich hinter den Wänden, im Boden und in den Möbeln viel Technik, maximale Sicherheit und so manche Innovation. Als Beispiel seien hier die schicken Handy-Ladestationenen aus abriebfestem Acrylstein genannt, die diskret in die Sofakombination eingearbeitet wurden. «Solche Ideen entstanden im Detailklärungsgespräch mit dem Rolex-Designteam, der Gesamtbauleitung, der Verkaufsleitung, den Sicherheitsverantwortlichen und mit Herrn Beyer », sagt Stefan Rohrer.
«Das Vertrauen in uns und die Begeisterung seitens der Bauherrschaft ermöglichte überhaupt, höchste Ansprüche in diesem knappen Zeitfenster umzusetzen.» Planung und Entwicklung des neuen Rolex Corner verschlangen allein 2700 Arbeitsstunden, die Montage nicht miteingerechnet. Über 30 Lieferanten waren involviert, darunter Lederverarbeiter, Stuckateure, Steinmetze und Sicherheitsspezialisten. Der Rolex Corner entspricht allermodernster Technik und höchsten Sicherheitsstandards. Entsprechend zeigt sich selbst der sonst gar bescheidene Stefan Rohrer ein kleines bisschen stolz, wenn er sagt: «Neben dem schönen Rolex-Design ist die grosse Kunst dieses Baus vor allem auch das, was man nicht sieht.»
Text: Matthias Mächler
Fotos: Martina Meier