World of Patek Philippe

Nicholas Foulkes schürft in der Geschichte der bedeutendsten Uhrenmarken der Welt.

NICHOLAS FOULKES Der britische Historiker, Buchautor und Journalist gilt als profundester Kenner von Patek Philippe. Fürs beyond kommentiert er spezielle Epochen und Phänomene.


DIE MACHT DER ÄSTHETIK

Ob Email-Zifferblätter oder Dom-Penduletten: Patek Philippe verdankt seinen herausragenden Namen auch dem Glauben an kunstvolles Handwerk.

An der Ausstellung «Rare Handcrafts » in den Salons von Patek Philippe in der Genfer Rue du Rhône ist es nicht allein die Qualität, die begeistert – Qualität erwartet man schliesslich von Patek Philippe. Wirklich beeindruckend ist die unglaubliche Vielfalt an Kreationen. Sie macht deutlich, wie viel Wert Patek Philippe auf das Dekor und die Verzierung von Zeitmessern legt, die bereits als höchste Ausdrucksformen der Uhrmacherkunst gelten. Diese Stücke werden nicht sofort nach ihrer Fertigung verkauft, was in der Tat ein Leichtes wäre. Stattdessen wird zuerst die gesamte Kollektion fertiggestellt und dann präsentiert – genau so, wie berühmte Künstler ihre neuesten Werke in Galerien ausstellen.

Die meisten Sammler von heute sind während der Ära von Philippe Stern gross geworden. Dessen gesundes Urteilsvermögen und die Gabe, Jahre, manchmal sogar Jahrzehnte vor allen anderen die richtigen Entscheidungen zu treffen, haben Patek Philippe geprägt. Die Errungenschaften von Philippe Stern sind weithin bekannt, darunter die Einführung der «Nautilus» in seinem ersten Jahr als Präsident des Unternehmens, die Wiedereinführung der Minutenrepetition am Handgelenk und natürlich die komplizierten Taschenuhren «Kaliber 89» und «Star Caliber». Seine Vision hat die Marke Patek Philippe zu einem Sinnbild der komplizierten Uhrmacherkunst gemacht.

Diejenigen unter uns, die sich in die Zeit von Philippes Vater Henri Stern zurückversetzen können, erkennen in dessen Enkel Thierry ein Wiedererwachen der künstlerischen Seite von Patek Philippe. In den turbulenten Zeiten wechselnder Trends und der Quarzkrise stand Patek Philippe wie ein Fels in der Brandung und bot dem wertvollen Kunsthandwerk Schutz, für das die Stadt Genf schon lange vor ihrer Zeit als Uhrmachermetropole so berühmt war. Es war Henri Stern, der auf Empfehlung des grossen Emailkünstlers Carlo Poluzzi die junge Suzanne Rohr einstellte, um Taschenuhren mit Emailminiaturen zu verzieren. Heute erzielen ihre Stücke bei Auktionen ausserordentliche Preise und begeistern die Besucher des Patek Philippe Museums. Damals jedoch konnte ein solches Vorgehen als wirtschaftlich fragwürdig angesehen werden.

DER TRADITION VERPFLICHTET

Heute ist man sich der Bedeutung von Emailarbeiten in all ihren Formen bestens bewusst – ob Grisaille, Miniaturmalerei auf Email, Cloisonné, Champlevé, Flinqué oder Plique-à-jour – und nirgendwo besser als bei Patek Philippe. Dies zeigt sich nicht zuletzt an der steigenden Beliebtheit von Weltzeituhren mit Email- Zifferblättern – häufig mit Landkarten oder in einem einzigen kräftigen Farbton, wie zum Beispiel dem eleganten Pflaumenton der für Japan kreierten limitierten Edition der Referenz 5330G-010.

Patek Philippe findet die Inspiration nicht in der kommerziellen Zweckmässigkeit, sondern in der Exzellenz der Uhrmacherkunst. Und da die Manufaktur in Besitz einer Familie ist, die auf eine lange Tradition in der Uhrmacherei zurückblickt, ist sie langfristig ausgerichtet. So hat sie etwa ihre berühmten Dom-Penduletten weiterhin produziert, obwohl diese eine Zeit lang aus der Mode gekommen waren. Thierry Stern erzählte mir einmal, dass er trotz 90 unverkaufter Stücke in der Manufaktur an ihrer Fertigung festhielt, um die Tradition und das Savoir-faire weiterzuentwickeln. Denn er war davon überzeugt, dass das Pendel auch wieder in die andere Richtung ausschlagen würde.

«DIE ZEIT HAT THIERRY STERN
RECHT GEGEBEN.»

Patek Philippe Taschenuhr
Zifferblatt aus 800 Furnierteilchen: Taschenuhr
«Porträt eines Samurai».
Patek Philippe Pendulett
Ein Höhepunkt der «Rare Handcrafts»-Ausstellung: Dom-Pendulette mit Kranichen.
Patek Philippe Weltzeituhr Violet
Limitierte Edition: Die pflaumenfarbene Weltzeituhr mit Email-Zifferblatt.

TIGER, KRANICHE – UND DER SAMURAI

Die Zeit hat ihm recht gegeben. Die damals unverkauften Dom-Penduletten sind längst weg. Heute begegnen wir ihnen fast nur noch in den Privaträumen von Sammlern – oder an den «Rare Handcrafts»-Ausstellungen von Patek Philippe in den Salons an der Rue du Rhône. Dort konnten wir dieses Jahr zum Beispiel Dom-Penduletten in Cloisonné-Email mit dem Sujet eines Tigers im Bambusdschungel bewundern oder Stücke in Grisaille- Email mit herumtollenden Putten, die auch ein Meister des Barocks hätte malen können. Besonders beeindruckend war eine blasse, mit Kranichen verzierte DomPendulette, die einem Gemälde aus Whistlers «Japonismus»-Periode entstammen könnte.

An der diesjährigen «Watch Art» in Tokio wiederum wurde der Inbegriff ästhetischer Raffinesse von Patek Philippe präsentiert: die Referenz 995/131G–001, besser bekannt unter dem Namen «Porträt eines Samurai ». Die Taschenuhr, verziert mit einem Samurai- Krieger, scheint auf den ersten Blick eine Miniaturmalerei auf Email. Begnadete Künstlerhände haben den Stolz und die Anmut dieser alten japanischen Krieger verewigt. Nur handelt es sich dabei gar nicht um Emailkunst. Erst bei genauem Hinsehen lässt sich erkennen, dass es ein Meisterwerk der Holzmarqueterie ist, zusammengesetzt aus 800 Furnierteilchen und 200 Intarsien in 53 verschiedenen Holzarten.

Ein wahrhaftes «Meisterstück», das diesem Namen gerecht wird. Ein Objekt von solcher Schönheit und Kunstfertigkeit, dass es die Grenzen zwischen angewandter und bildender Kunst verschwimmen lässt. Wie alle grossen Kunstwerke regt es uns dazu an, innezuhalten und gängige Weisheiten infrage zu stellen. Das ist die Macht der Ästhetik bei Patek Philippe.

Beyer Chronometrie